Moritz Stahl “TRANSIENT BODIES”
Moritz Stahl „TRANSIENT BODIES“ feat. Marie Krüttli, Sun-Mi Hong & Etienne Renard
Jazz ist ein Synonym für Risiko. Moritz Stahl und seine international besetzte Band Transient Bodies gehen ins kalkulierte Risiko, indem sie den undefnierten Spielraum zwischen dem Wimpernschlag eines Augenblicks und der Ausdehnung der Ewigkeit erkunden.
Der Saxofonist Moritz Stahl hat die Größe, jede stilistische Festlegung zu vermeiden und sich für das Unerwartete zu öffnen. Sein Markenzeichen ist seine Unberechenbarkeit, die er stets mit spielerischer Intensität, konzeptioneller Neugier und komplett egobefreiter Expressivität ausfüllt. Wenn man ihn heute mit einem Projekt an einer bestimmten Stelle im Musikgeschehen verorten kann, taucht er morgen mit der nächsten Band an einer völlig anderen Stelle wieder auf. Jedes Album, jedes Konzept ist eine Neuauslegung seiner musikalischen Persönlichkeit. Greifbar ist bei all diesen Unternehmungen der Drang, sich selbst konsequent in Frage zu stellen und das Errungene loszulassen, weil hinter dem Horizont schon die nächste Herausforderung wartet. Moritz Stahl geht voll ins Risiko und nimmt seine Hörer dorthin mit.
Auf seinem aktuellen Studioalbum „Traumsequenz“ bricht Stahl in freie, avantgardistische Bereiche auf. Doch was gesagt ist, ist gesagt. Er muss es nicht zweimal sagen. Mit seiner neuen Band Transient Bodies beschreitet Stahl den Weg zu einem neuen Album, auf dem er die experimentellen Ansätze von „Traumsequenz“ mit seiner Liebe zu zugänglicheren Strukturen verbinden will. Dabei setzt er sich weder selbst Limits, noch lässt er sich von einem Konzept limitieren. Seine Neugier lässt ihn akzeptieren, was passiert.
Für seine Band Transient Bodies hat Stahl drei Musikerpersönlichkeiten eingeladen, mit denen er noch nie gespielt hat. An der schweizerischen Pianistin Marie Krüttli schätzt er den vorbehaltlosen Umgang mit elektronischer wie akustischer Musik. In Transient Bodies wird sie hautsächlich akustisch spielen doch sie bringt ihre Erfahrungen mit elektronischer Musik konzeptionell ein. Den französischen Bassisten Etienne Renard lernte Stahl bereits vor zehn Jahren kennen, hatte aber noch nie Gelegenheit, mit ihm zu spielen. Die koreanisch Schlagzeugerin Sun-Mi Hong komplettiert das Quartett schließlich mit ihrem schier unbegrenzten Spektrum an rhythmischen Timbres.
Seinem Grundcharakter entsprechend ist Transient Bodies ein akustisches Quartett, das aber elektronische Elemente organisch einwebt. Der Bandname Transient Bodies bringt kongenial die musikalische Intention von Moritz Stahl und seinem neuen Projekt auf den Punkt. Vier Stimmen, die sich mit Leidenschaft und Verve in den Dienst des Tons begeben, um ihn in seinem vollen Umfang von vom anfänglichen Impuls bis zum Verklingen und der Erinnerung daran zu zelebrieren. Ein Ton, der einmal in der Welt ist,kann sich zwar unserer temporären Wahrnehmung entziehen, aber er wird niemals aus dem Universum verschwinden. Er ist von vergänglicher Dauerhaftigkeit und dauerhafter Vergänglichkeit.
„Ich fand die Überlegung interessant, dass Materie sich zwar verändert, die Substanz eines Menschen aber immer erhalten bleibt“, so Stahl. „Wenn ein Mensch geht, bleibt er in der Erinnerung von anderen Menschen. Genauso ist es mit Tönen und Klängen. Die Flüchtigkeit des Augenblicks, die trotzdem etwas Dauerhaftes hat, inspiriert mich zur Grundlage meiner Kompositionen für Transient Bodies.“
Das Momentum in ein und demselben Augenblick gleichzeitig loszulassen und festzuhalten – das ist die große Kunst von Moritz Stahl und Transient Bodies.
(Wolf Kampmann)
